JUSTIZSACHE BUNDESREGIERUNG
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Offener Brief an die Mitglieder der Neuen Richtervereinigung

 

J.R.W. Richter i. R.

- Gründungsmitglied der Neuen Richtervereinigung-

 

23.6.2017

 

 

Betrifft: Podiumsdiskussionen und andere Veranstaltungen zu  rechtsstaatlich bedenklichen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung

 

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

die Bundesregierung hat kurz vor Ende der Legislaturperiode Gesetzentwürfe eingebracht, die hart kritisiert werden. Für die Neue Richtervereinigung kann dies Anlass sein, sich mehr als bisher mit möglichen Rechtsverletzungen sowie rechtsstaatlich bedenklichen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zu beschäftigen. Die Vorstände der Neuen Richtervereinigung auf der Ebene des Bundes und der Länder sollten -zusammen mit Bürgerrechtsorganisationen- neben Pressemitteilungen auch Podiumsdiskussionen und andere Veranstaltungen zu diesem Thema organisieren.

 

Zwei Zitate von Bürgerrechtsorganisationen aus einer Pressemitteilung vom 9. Juni 2017 machen die Problematik deutlich.

 

Die Zitate betreffen den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Einführung der Online-Durchsuchung und der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). Mit diesem Gesetzentwurf setzt sich die große Koalition ersichtlich über Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinweg. Dazu heißt es in der erwähnten Pressemitteilung:

 

"Sowohl bei der Online-Durchsuchung als auch bei der Quellen-TKÜ dringen die Ermittlungsbehörden heimlich mittels Trojanern in Computer, Tablets oder Handys –in die Privatsphäre- des betroffenen Bürgers ein. Im Fall der Online-Durchsuchung können die Beamten auf sämtliche auf dem Rechner gespeicherten Daten zugreifen und erhalten so eine praktisch umfassende Einsicht in das Leben des Betroffenen bis hinein in dessen Gedanken- und Gefühlswelt." Und weiter:

 

"Nach Auffassung der Bürgerrechtsorganisationen (hierzu gehört auch die Neue Richtervereinigung) hat eine Überwachungsmaßnahme mit derart totalitärem Potential, die in der Praxis zudem kaum zu kontrollieren ist, in der Strafprozessordnung nichts zu suchen."

 

Das ist aber nicht der einzige rechtsstaatlich problematische Gesetzentwurf. Als Reaktion auf die Verabschiedung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes durch das Bundeskabinett haben Organisationen und Einzelpersonen eine Deklaration für Meinungsfreiheit verabschiedet. Zitat aus dieser Erklärung:

 

"Internetdienstanbieter kommt bei der Bekämpfung rechtswidriger Inhalte eine wichtige Rolle zu, indem sie diese löschen bzw. sperren. Sie sollten jedoch nicht mit der staatlichen Aufgabe betraut werden, Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Inhalten zu treffen." 

 

Meinungsäußerungen von Bürgern in sozialen Netzwerken dürfen nur auf der Grundlage einer richterlichen Entscheidung nach einem rechtsstaatlichen Verfahren gelöscht werden. Der Einsatz privater "Facebook -Richter" oder anderer Personen ohne ausreichende juristische Qualifikation sollte von uns abgelehnt werden. Unser Staat hat die Verpflichtung, für eine ausreichende personelle Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden und der staatlichen Gerichte zu sorgen. Nur so kann eine Kontrolle des Internets gewährleistet werden, die rechtsstaatlichen Anforderungen genügt. 

 

Schließlich hat im Zusammenhang mit der Asylpolitik der Bundesregierung Strafrechtsprofessor Putzke in Passau festgestellt, dass sich die Bundeskanzlerin als Schleuserin strafbar gemacht hat. Berliner Staatsanwälte haben demgegenüber auf entsprechende Anzeigen hin die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Bundeskanzlerin und Mitglieder der Bundesregierung abgelehnt. Die Begründungen hierfür scheinen offensichtlich falsch oder zumindest fragwürdig zu sein. So wird etwa argumentiert, die Einladung der Flüchtlinge durch die Bundeskanzlerin, ohne gültige Reisedokumente einzureisen, habe die Strafbarkeit von Flüchtlingen und Schleusern beseitigt. Interessant ist hierbei, dass  diese für mich offensichtlich falsche Rechtsauffassung von keiner einzigen Staatsanwaltschaft und keinem Gericht außerhalb Berlins vertreten wird. Schleuser und Flüchtlinge sind weiterhin strafrechtlich belangt worden. Das bayerische Justizministerium hat dies ausdrücklich bestätigt. Richtig ist lediglich, dass eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen Flüchtlinge eingestellt worden sind. 

 

Aber es gibt noch problematischere Argumentationen der Berliner Staatsanwälte. Bei der Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Ablehnung der Berliner Staatsanwälte, ein Ermittlungsverfahren  gegen Kanzlerin Merkel einzuleiten, beruft sich ein Berliner Oberstaatsanwalt auch auf folgendes Argument:

 

Mit der Einladung der Flüchtlinge hätten Bundeskanzlerin und Regierung ihr Hausrecht ausgeübt. Dies sei ja das Schutzgut der entsprechenden Strafrechtsnorm. Bereits deshalb scheide eine Bestrafung von Kanzlerin und Mitgliedern der Regierung aus.

 

Dies ist eine Argumentation, die mich an Zeiten der Herrschaft absoluter Monarchen  erinnert.  Vom Rechtsstaatsprinzip und Parlamentsvorbehalt ist bei den Darlegungen dieses Oberstaatsanwalts mit keinem Wort die Rede. 

 

Kein Wunder, dass das Verhalten der Bundesregierung von Staatsrechtlern scharf gerügt wird und der Vorwurf " Verfassungsbruch" noch eine zurückhaltende Formulierung ist. Wenn der Verfassungsgerichtspräsident a.D. Papier und der Verfassungsrichter a.D. Di Fabio der Bundesregierung mit fundierter Begründung schwere Rechtsverletzungen vorwerfen, besteht für alle Verteidiger des Rechtsstaats Anlass zu besonderer Wachsamkeit.    Da spricht ein renommierter Staatsrechtler auch schon mal von "Putsch von oben" und der bayerische Ministerpräsident wählt publikumswirksam die Formulierung" Herrschaft des Unrechts". Wurden von Staatsanwälten  Regierungsinteressen den rechtsstaatlichen Grundsätzen übergeordnet?

 

Die Darlegungen machen deutlich, dass Diskussionsbedarf besteht. Es geht hier um  mögliche Angriffe auf die Grundlagen unserer Demokratie. Das sollte für uns Grund genug sein, die Öffentlichkeit umfassender über diese Problematik zu informieren.

 

Mit freundlichem Gruß,

 

................

 

 

Dieser Brief wurde mit folgendem Vermerk vom Bundesvorstand an die Mitglieder der Neuen Richtervereinigung weitergeleitet:

 

 

…

 

Die dort aufgeworfenen Fragen beschäftigen uns als Bundesvorstand,

verschiedene Fachgruppen und – wie wir wissen – auch verschiedene

Landesverbände sehr. Es gibt verschiedene Ideen, dazu (und zu anderen

Themen) Veranstaltungen zu organisieren oder sich an der Organisation zu

beteiligen.

 

Der Bundesvorstand tagt am 1. Juli 2017 in Lübeck und wird sich mit auch

mit dieser Thematik und dem in dem Brief geforderten Engagement

befassen. Wer immer von Euch eine Idee hat oder sich gerne an der

Organisation von Veranstaltungen beteiligen möchten, wende sich bitte

sehr gerne an den BuVo (wenn etwas auf Bundesebene passieren soll) oder

auch an seinen Landesverband.

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